Abgestimmt mit den unterstützenden Organisationen wurde vom Veranstalter eine Rede gehalten, deren Text (ohne spontane Abweichungen) wir hier veröffentlichen:
In den letzten Wochen sind in ganz Deutschland die Menschen auf die Straße gegangen. Hunderttausende jeweils in Berlin, Hamburg und München. Auch in kleineren Städten und Gemeinden wurde demonstriert. Vor zwei Wochen kamen nach Angaben der Polizei in Bodenheim 600 Menschen, zwei Tage zuvor in Niersten 1.500. Auch wenn es schwer zu zählen ist. Insgesamt sind in jedem Falle Millionen Menschen auf der Straße gewesen. Alleine heute finden mindestens 41 Demonstrationen bundesweit statt – unsere hier mit eingerechnet!
Das macht Mut, dass der Kampf gegen Rechtsextremismus, gegen Faschismus, Antisemitismus, Behinderteinfeindlichkeit und vieles weiteres noch nicht verloren ist.
Das auch heute hier wieder so viele Menschen gekommen sind, zeigt auch, dass viele verstanden haben, wie groß die Gefahr für uns alle sein kann. Ein Land umzukippen und die Demokratie zu zerstören, das geht schneller als man denkt.
Ich danke allen Unterstützern, den Lörzweiler Vereinen, die dem Aufruf gefolgt sind, ALLEN im Lörzweiler Gemeinderat vertretenen Parteien, dem Landesverband VOLT und der Ortsverwaltung. Dazu kommt das überparteiliche Bündnis Rheinhessen Gegen Rechts. Ausdrücklich danke ich auch der Polizei. Ein Gespräch im Vorfeld hat noch bestehende Unsicherheiten beseitigt.
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Wer mich kennt, weiß, dass ich eher nicht im Verdacht stehe, ihm nahezustehen aber ich möchte an dieser Stelle Armin Laschet zitieren. Es gehört auch zu demokratischen Prozessen dazu, anzuerkennen wenn jemand aus dem ‚anderen‘ politischen Lager den Nagel auf den Kopf trifft. Armin Laschet hat vor ein paar Wochen auf einer ähnlichen Veranstaltung wie hier in Aachen gesagt:
„Jetzt sagen manche: ja aber die afd das ist doch keine NSDAP übertreibt das doch nicht. Mann kann sagen: so schlimm wird das schon nicht werden. So haben die Leute 1933 auch gedacht. Bei der Reichstagswahl – der letzten – im November 1932, hatten die Nazis 2 Millionen weniger Stimmen (als im bei der vorherigen Wahl im Juni). Sie hatten nur noch 33% … Und dann wurde Hitler zum Reichskanzler gewählt. Und dann haben manche gesagt: Na, wir ernennen den jetzt mal und in zwei Monaten wird der quitschen, dann hat der sich entlarvt, er wird keinen Erfolg haben. Und er hatte nur zwei Minister. Den Innenminister Frick und Göring. Alle anderen waren noch aus demokratischen Parteien.
Und wissen Sie, was in den zwei Monaten bis zu dem Zeitpunkt wo er quitschen sollte passiert ist?
- 30. Januar: seine Ernennung.
- 1. Februar: Auflösung des Reichstags.
- 3. Februar: Hitler sagt, er will ‚rücksichtslos germanisieren und Lebensraum im Osten gewinnen‘.
- 4. Februar: Einschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit.
- 22. Februar: SA und SS werden zur Hilfspolizei ernannt.
- 27. Februar: Der Reichstag brennt.
- 5. März: Wieder eine Wahl. Wieder keine absolute Mehrheit für die Nazis.
- 11. März: Goebbels Propagandaminister.
- 22. März Errichtung des Konzentrationslagers Dachau.
- 23. März Ermächtigungsgesetz. Ende der Demokratie in Deutschland. In zwei Monaten war alles zerstört und deshalb dürfen Antidemokraten in keine staatliche Funktion kommen. Sie werden sie nutzen, die Demokratie zu beseitigen und das werden wir nicht zulassen!“
Zitat Ende!
Wir alle wissen, was danach geschah. Zwei Monate!
Auch die letzten Jahre in Polen und jetzt die vergangenen Wochen dort sollten wir im Kopf behalten. Die PIS-Regierung hat wichtige Schlüsselstellen im Land mit Parteifunktionären besetzt, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, Richterämter, Staatsbetriebe. Von den gesetzlichen Regelungen, die Frauen diskriminieren, die Misstrauen säten und die mit polizeilicher und juristischer Gewalt demokratische Prozesse bis in die kleinsten Bereiche unter unterbunden haben.
Von einem „Aufräumen“ spricht auch immer wieder die Führung der afd. Umgesttaltung bzw. Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist im Programm der afd verankert.
Demokratie ist immer Arbeit, ist offene Diskussion deren Ergebnisse längst nicht immer alle zufrieden stellen. Und sicher hat unsere Demokratie Schwächen in Bezug auf Mitgestaltung und Transparenz über die man diskutieren muss.
Aber es gilt nach wie vor der Spruch von Winston Churchill: „Demokratie ist die schlechteste aller Regierungsformen – abgesehen von all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind.“
Demokratie funktioniert auch nur, wenn sich alle Beteiligten darauf einigen, die Ergebnisse des demokratischen Prozesses auch anzuerkennen. Wenn sich alle darauf einigen, die Diskussionen nicht zu vergiften und bei aller inhaltlichen Differenzen sachlich zu bleiben und nicht sprachlich zu entgleisen. Das ist leider nicht überall selbstverständlich – gerade in den letzten Monaten.
Demokratie ist wie ein Aquarium. Das hält viel aus, Hitze, Kälte, Sturm und Regen und dennoch ist das innere mit Leben gefüllt. Aber dieses kleine Hämmerchen hier kann alles zerstören.
Diese Hämmerchen an der Flasche will die afd sein.
Weil sie die Prozesse nicht anerkennt, weil sie permanent Fakten verdreht. Und weil sie es schafft permanent in den Medien vertreten zu sein und dort eben nicht ‚entzaubert‘ wird. Auch bei der afd quitscht nichts.
Die Parteispitze und Menschen darunter stellen Behauptungen auf, verweisen dann darauf, dass man sie falsch versteht oder „die Presse“ die Aussagen ‚verdreht‘. Es gibt keine Ehrlichkeit in dieser Partei deshalb funktioniert das ‚inhaltiche Stellen‘ auch nicht.
Viele Aussagen bleiben vage und nebulös und können unterschiedlich interpretiert werden. Aber immer wieder blitzt der eigentliche Inhalt durch – nicht erst beim Treffen in Potsdam im November.
Björn Höcke nimmt in seinem Buch „Niemals zweimal in denselben Fluss“ kein Blatt vor den Mund:
- „Die Sehnsucht der Deutschen nach einer geschichtlichen Figur, welche einst die Wunden im Volk wieder heilt, die Zerrissenheit überwindet und die Dinge in Ordnung bringt, ist tief in unserer Seele verankert, davon bin ich überzeugt.“
- „Ein paar Korrekturen und Reförmchen werden nicht ausreichen, aber die deutsche Unbedingtheit wird der Garant dafür sein, dass wir die Sache gründlich und grundsätzlich anpacken werden. Wenn einmal die Wendezeit gekommen ist, dann machen wir Deutschen keine halben Sachen, dann werden die Schutthalden der Moderne beseitigt.“
- „Auch wenn wir leider ein paar Volksteile verlieren werden, die zu schwach oder nicht willens sind, sich der fortschreitenden Afrikanisierung, Orientalisierung und Islamisierung zu widersetzen.“
2020 sagte Höcke wärhrend einem Pegida-Aufmarsch in Dresden:
- „Die Herrschaft der verbrauchten Parteien und Eliten muss abgelöst werden und wir werden sie ablösen. Das Land steht Kopf. Wir müssen es wieder auf die Füße stellen, wir müssen das Unterste wieder nach unten stellen. Wir werden diesen Kampf gemeinsam führen und gemeinsam gewinnen. (…) „[wir werden] die sogenannte Zivilgesellschaft, die sich aus Steuergeldern speist, leider trockenlegen müssen.“
Damit sind genau wir hier gemeint.
Wir stehen heute hier, genau wie die vielen Hunderttausend in den letzten Wochen, um denen den Hammer aus der Hand zu nehmen. Es ist sicher kein Sprint sondern ein Marathon, denn selbst mit einem erfolgreichen Verbotsverfahren bringt man die Gedanken nicht aus den Köpfen der Menschen. Hoffentlich ist zumindest bei einem Teil der rechten Wählerschaft noch nicht alles verloren.
Aber es macht mir Mut, dass so viele Menschen jetzt die Gefahr verstanden haben und sehen, dass es wichtig ist, sich für Vielfalt, für Toleranz, für ehrliche Diskussionen in der Politik, kurz für Demokratie auf die Straße zu gehen. Denn wir sind mehr!
Und sehr wahrscheinlich müssen wir uns erneut treffen, um weiter zu demonstrieren und zu zeigen. Gerade vor den Europa- und Kommunalwahlen und gerade vor den Wahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg im Herbst. Denn wir sind mehr!
Danke Euch Allen!
Wehrt Euch – leistet Widerstand
Gegen den Faschismus hier im Land
Haltet fest zusammen, haltet fest zusammen